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Sarah Thomson Nadar

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Palmölplantage

Gewaltfreie Friedensarbeit in Kolumbien

Christian Peacemaker Teams (CPT) und die lokale Gemeinschaft von Palvas erzwingen Rückzug des Palmölkonzern Daabon aus der Region

Am 2.11.2009 organisierten die Christian Peacemaker Teams Kolumbien (CPT)1  eine Aufsehen erregende direkte Aktion zivilen Ungehorsams vor einer Londoner Body-Shop-Filiale, in dessen Folge The Body Shop seinen Unternehmensvertrag mit der kolumbianischen Palmölfirma Daabon kündigte – ein großartiger Erfolg des gewaltfreien Widerstandes gegen die ausbeutende und mit Militärs und Paramilitärs eng verquickte Ökonomie in Kolumbien2.  Möglich geworden war dieser spektakuläre Erfolg durch eine bis dahin noch ungewöhnliche Koalition von indigen und afrokolumbianischen Bauerngemeinschaften (ASOCAB) in Las Pavas, denen aufgrund einer dort geplanten Monokultur von Ölpalmen die Vertreibung von ihrem historisch angestammten Land drohte, mit den international vernetzten Christian Peacemaker Teams, der örtlichen Gemeinde und einigen Rechtsanwälten.

Sarah Thomson Nadar, ehemalige Direktorin von Christan Peacemaker Teams (CPT), berichtet über die Hintergründe der Aktion in London.  Die CTP bestehen aus 30 aktiven Teammitgliedern und 200 Reservisten. Auf Einladung von lokalen, friedensstiftenden Gemeinschaften, die mit Situationen tödlicher Konflikte konfrontiert sind, entsenden die CPT Teams in die Konfliktregionen. Sie nehmen die Aufgabe wahr, die lokalen Friedensstifter zu unterstützen und zu stärken und durch ihre Präsenz sowie durch direkte gewaltfreie Aktionen das Risiko von Verletzung und Tod unter der bedrohten Bevölkerung und unter den besonders gefährdeten Aktivist:innen zu reduzieren. 

In Las Pavas war die Situation die, dass die dort ansässige Bevölkerung erst seit einigen Jahren wieder in ihrem angestammten Gebiet siedelte, nachdem sie von dort durch Gewalt infolge des „Krieges gegen die Drogen“ vertrieben worden war. Die Regierung hatte den Menschen zugesagt, dass sie ihr Land und ihr Eigentum wieder legal in Besitz nehmen könnten, nachdem sie das Land sieben Jahre lang bewirtschaftet hätten. Durch diese Zusage versuchte die Regierung die enorme Zahl der Binnenflüchtlinge zu reduzieren, die infolge der Flucht aus besonders unsicheren Regionen entstanden war. Aber als die sieben Jahre vorüber waren und die Menschen auch in Las Pavas ihre neuen Eigentumsurkunden hätten erhalten müssen, fanden sie eines Morgens Bulldozer auf ihren Feldern vor, die von bewaffneten Sicherheitskräften bewacht wurden. Die Felder wurden verwüstet und an die Stelle der Feldfrüchte eine Monokultur von Ölpalmen gesetzt. Sarah Thomson zufolge ist es der Staat, der hier zu einem der vielen Gewalttäter wird. Er heuert private Sicherheitskräfte an, in diesem Fall ehemalige Paramilitärs, um so rechtswidrig das Kapital, Grund-und-Boden und den Profit, der daraus zu schlagen ist, für einige wenige zu sichern. Gewaltkonflikte wie diese um Basisressourcen wie bebaubares Land und Wasser nehmen seit rund 15 Jahren rasant zu: Die schnelle Ausdehnung der Rohstoffindustrie und der wachsende Druck, der zusätzlich durch die Destabilisierung des Klimas und durch den drohenden Klimakollaps entsteht, sind die Hauptursachen dieser Entwicklung.

Aus europäischer Sicht drängt sich die Frage auf, was in einer so von Gewalt und Menschenverachtung geprägten Situation der Verzicht auf Gewalt bewirken soll. Liefert man die Leute so nicht erst recht den Paramilitärs aus? Sarah verneint: Gerade in dieser Situation, in der gravierende Menschenrechtsverletzungen wie Menschenhandel und Zwangsarbeit zunehmen, „brauchen wir christliche Gewaltfreiheits-Prinzipien, mit denen wir unsere Haltung gegenüber den Konzernen untermauern können“, unterstreicht Sara Thomson Nadar – „besonders gegenüber denen, die Sicherheitsleute/Schläger:innen, Täter:innen/Belästiger:innen anheuern!“ Sie berichtet von gewaltfreien blockierenden Programmen, die die CPT auf Einladung der örtlichen Gemeinden und ihrer Partner hin umsetzen halfen. Sie schulten die Menschen „in spirituellen Praktiken, vermittelten ihnen Vorbilder, Instrumente und Strategien und trainierten sie ebenso hart für den Frieden, wie Soldaten für den Krieg trainiert werden“ erläutert Sara Thompson Nadar. Die CPT-Mitglieder ihrerseits bereiten sich auf diese Einsätze vor, indem sie Geschichte und Strategien sozialer Bewegungen studieren, darunter auch religiöse Traditionen.

Mit Hilfe von CPT-Mitgliedern wurde innerhalb der örtlichen Gemeinde Las Pavas ein Schutzraum geschaffen, innerhalb dessen Gespräche zwischen lokalen Behörden, Landwirten, Anwält*innen und Rechtsanwält*innen für Landrechte und mit Regierungsorganen  Kolumbiens, die mit diesen in Verbindung standen, stattfanden. Als Ziel der Kampagne wurde festgelegt, The Body Shop aufzufordern, den Vertrag mit dem Palmölproduzenten Daabon zu kündigen, weil dessen Vorgehen illegal, unmoralisch und ungerecht war. Daraufhin wurde der Weg des Palmöls von den Feldern in Las Pavas bis zu den Konsumen*innen in Europa nachverfolgt. Die CPT organisierte direkte Gespräche, eine Briefkampagne und hielt die Menschenrechtsverletzungen, die in Las Pavas stattfanden, dokumentarisch fest und machte sie in der oben erwähnten Aktion in der Londoner Body-Shop-Filiale öffentlich. Zudem wurde der Druck auf The Body Shop deutlich erhöht, indem sich die Gemeinschaft von Las Pavas einer internationalen Kampagne und einem Wirtschaftsboykott gegen The Body Shop anschloss, um so dessen unterechtfertige Geschäftspraktiken anzuprangern. Dazu gehörte auch der Akt des zivilen Ungehorsams vor dem Londoner Geschäft, in dessen Folge einige Teilnehmenden verhaftet wurden und ins Gefängnis kamen. „Die Leute mögen es nicht, wenn man ihr Einkaufserlebnis stört“, kommentierte Sarah Thomson Nadar diese harsche Reaktion von Polizei und Justiz. Dennoch war es eben diese Einbeziehung der Menschen im globalen Norden, die der Kampagne den Erfolg bescherte: The Body Shop kündigte seinen Subunternehmensvertrag mit der Daabon und zwang den Konzern, sich aus der Region Las Pavas zurückziehen.

Aber nicht nur das. Die indigenen Bäuerinnen und Bauern konnten in ihr angestammtes Land zurückkehren und ihre Felder bewirtschaften. Die Gewalt war erheblich zurückgegangen. 2013 erhielt die Region den Nationalen Kolumbien-Friedenspreis und die Bewohner:innen von Las Pavas wurden als Ausbildner:innen und Lehrer:innen in andere Gemeinden geschickt. So schuf die gewaltfreie Kampagne von Las Pavas rechtliche und gesellschaftliche Präzedenzfälle für andere Gemeinden in ähnlichen Situationen.  Das Beispiel zeigt zugleich, welche Macht die Zivilgesellschaft entfalten kann, wenn sie international vernetzt ist und sich Menschen aus dem globalen Norden mit der der lokalen Bevölkerung verbünden. Jedoch ist die Gewalt und Bedrohung durch die Palmölproduktion und den Militarismus längst nicht überwunden, da sie in Nachbarregionen und weit darüber hinaus die Gesellschaft Kolumbiens prägen.

https://cpt.org/https://cpt.org/2019/09/05/colombia-call-hope-and-continue-road-peace
2 https://www.youtube.com/watch?v=CnW1O6mfxnU Christian Peacemaker Teams public witness at The Body Shop outlets in London, 02.11.2009.
3 Bettina Kiedl, Friedenspreis in Kolumbien für die Bauern von Las Pavas, 2.12.1013

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