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Die Kirche(n) im Dorf lassen (KiDl)

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Gottesdienst

Foto: Barbara Schnell

Christlicher Mosaikstein der Klimagerechtigkeitsbewegung im Rheinland

Dem Rad in die Speichen fallen

„Auf soziale Probleme muss mit Netzen der Gemeinschaft reagiert werden, nicht mit der bloßen Summe individueller positiver Beiträge.“ 
(Papst Franziskus, Laudato Si, 219)

Seit Mai 2020 feiert die Ökumenische Initiative „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ (KiDl) regelmäßig Gottesdienste an der Abbruchkante in unmittelbarer Nähe zu dem großen Loch, das der Tagebau Garzweiler mit seinen riesigen Schaufelbaggern in die fruchtbare Landschaft reißt. Beflügelt vom erfolgreichen Kampf um den Hambacher Wald und besorgt um die Zukunft der vom Abbruch bedrohten Garzweiler Dörfer sowie des Weltklimas fanden sich nach und nach immer mehr Menschen zusammen, um dort, wo die Bedrohung am größten ist und die Not unerträglich zu werden droht, der Zerstörung das belebende und Kraft spendende Wort Gottes entgegen zu setzen. Was für die einen Wort Gottes ist, ist für die anderen eine kulturelle Tradition, die an diesem Ort zu ihnen spricht und verständlich wird. KiDl versteht sich als Gemeinschaft derer, die gemeinsam für den Erhalt der Vielfalt unserer Mitgeschöpfe und der Lebensgrundlagen kämpfen. So entstand eine panökumenische Gemeinde derer, die im Bündnis mit dem Landwirt Eckardt Heukamp und zahlreichen anderen Widerstandsgruppen nicht nur für Klimaschutz und für den Erhalt des Hambacher Waldes und der sechs Garzweiler Dörfer kämpft, sondern sich in diesem Tun auch als Teil der globalen Klimagerechtigkeitsbewegung versteht. 

Das Bestreben, dem Rad der Ausbeutung von Menschen und Mitgeschöpfen in die Speichen zu fallen, führt dabei immer wieder dazu, dass die widerständige Gemeinde dort Gottesdienste feiert oder Prozessionen abhält, wo sie offiziell kein Zutrittsrecht hat. So fand im November 2020 zu Beginn der Rodungen der L277 auf eben dieser Landstraße eine Prozession statt, in deren Folge zahlreiche Beteiligte wegen Hausfriedensbruch angeklagt wurden – die Verfahren sind inzwischen eingestellt. Am 27.10.2021 wurde ein Kreuz jenseits der Absperrung zum Tagebau errichtet – trotz der handgreiflichen Versuche des Security-Personals, das zu verhindern. Die KiDl-Gemeinde erlebt immer wieder auf frappierende Weise, wie biblische Texte eine neue Wirklichkeit enthüllen, wenn sie an diesen Orten gehört werden. Es wird erlebbar, dass Aufstehen gegen Unrecht und das Vertrauen in die Kraft des lebendigen Gottes unmittelbar zusammenhängen. 

Im Sommer 2021 organisierte KiDl im Bündnis mit der Evangelischen Kirche im Rheinland, Green Planet energy und vielen kirchlichen Akteuren und Umweltgruppen einen Kreuzweg für die Schöpfung, der die Pilger*innen von Gorleben über verschiedene Hotspots der Um-welt- und Klimakrise bis nach Lützerath führte, ein akut vom Abriss bedrohtes Dörfchen im Rheinischen Braunkohlerevier. Das gelbe Kreuz, eine Gabe der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, wurde die ganzen 470 Kilometer von den Pilger*innen getragen. Mit dem Kreuz waren die gelben X omnipräsent – und mit ihnen die ermutigende Erfahrung, „dass Zivilcourage Berge versetzt“, wie es Wolfgang Ehmke, Sprecher der BI Dannenberg damals formulierte, und: „Gorleben lebt – Lützerath soll leben!“ Daran halten KiDl, Lützerath bleibt, Alle Dörfer Bleiben und die vielen anderen Widerstandsgruppen auch nach dem schweren Rückschlag fest, den das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 28.03.22 für Lüt-zerath und noch mehr für Landwirt Eckardt Heukamp bedeutet. Es ist ein schweres Unrecht, dass RWE-Power laut Gerichtsbeschluss auf dessen Haus, Hof und Äcker zugreifen darf – denn eine weitere Aufheizung des Planeten steht im krassen Widerspruch zum Gemeinwohl. Eckardt Heukamp ist an dieser Stelle, nachdem er das zweite Verfahren verloren hat, dem Rat seiner Anwältin gefolgt und hat an RWE verkauft. Ein verständlicher Schritt, denn diese Auseinandersetzung vor der eigenen Haustür zehrt an den Nerven. Wo der einzelne einen Schritt zurücktreten muss und darf, um sich zu schützen – die Gemeinschaft, das Netz von Initiativen, kämpft weiter.

Die Initiative „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ hat dabei noch eine ganz besondere Mission: Im Vorfeld des Kreuzweges für die Schöpfung entdeckten Interessierte zunächst im Grundbuch von Immerath und dann physisch ein Stückchen Erde am Tagebaurand, auf dem seit 1867 ein Kreuz stand und das bis heute in kirchlichem Besitz ist – eine Besonderheit in einem Land-strich, der inzwischen fast vollständig in der Hand des RWE-Konzerns liegt. In früheren Zeiten stand dort vermutlich eine Kapelle. Während dieser hinter dichtem Gebüsch versteckte An-dachtsort dem allgemeinen Vergessen anheim gefallen war, zeigte sich im letzten Sommer, als einige Aktive ihn in Augenschein nahmen, dass sich über dem Grund der Kapelle, zu dem man über ein paar inzwischen freigelegten Stufen herabsteigt, schützend ein Halbkreis von Eiben rankt, deren Namen die Kapelle heute trägt. Inzwischen ist die „Eibenkapelle“ zu ei-nem Ruhe- und Andachtsort jener Menschen geworden, die fest entschlossen sind, das (mas-sive) Überschreiten der 1,5 Grad-Grenze genau hier verhindern. In einer Pressemeldung vom 08.04.22 teilt „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ mit:

„Nach Ansicht vieler Menschen ist die vertragliche Verpflichtung der Nachlassverwalter der Immerather Kirchengemeinde gegenüber der RWE Power AG nichtig. Die Luft mit CO2 anzureichern, darf hier in Lützerath nach dem Pariser Klimaabkommen als sittenwidrig angesehen werden. Spätestens mit der Formulierung entsprechender Klimaziele auch durch die 2021 ins Amt gekommene Bundesregierung hat der Vertrag zur bergbaulichen Inanspruchnahme seine Geschäftsgrundlage verloren. Diese Geschäftsgrundlage bestand in der Notwendigkeit, für das Gemeinwohl Energie herzustellen. Die Braunkohleverstromung zerstört nach heutiger Kenntnis die Grundlagen des Gemeinwohls. Für die Nachlassverwalter der Immerather Pfarrei ist die Existenz der Eibenkapelle deshalb auch ein Ort der Prüfung der Wahrhaftigkeit der päpstlichen Enzyklika Laudato Sí. Die Kirche(n) im Dorf lassen wird die Eibenkapelle dazu nutzen, die Vision von Papst Franziskus und vieler Menschen guten Willens wahr werden zu lassen und den Heimatplaneten zu schützen.“

Für diesen Schutz hat KiDl inzwischen einige Vorkehrungen getroffen. Auf den drohenden Abriss Lützeraths reagierte die Initiative in ihrem Gottesdienst am 03.04.22 mit dem Aufrufen der guten Mächte in uns, um uns und über uns. Denn um Lützerath zu retten, bedarf es vieler Hände und Füße; es braucht viel Kraft, Ausdauer und Beharrlichkeit und ein weites Herz. Falls die Landesregierung sich dazu hergeben sollte, Lützerath räumen zu lassen, wird „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ in Solidarität mit Alle Dörfer bleiben, mit Landwirt Heukamp, mit den vielen weiteren Initiativen und Vereinen sowie mit den Menschen, deren Existenz in NRW und weltweit durch die Folgen der Klimaerhitzung bedroht ist oder schon vernichtet wurde, zivilen Widerstand üben. X-Tausend für Lützerath!

Zum Weiterlesen und Weitersehen

Gottesdienst an der Kante am 03.04.22: Nach dem Versagen an der Justiz: Anrufung einer höheren Gerechtigkeit – „Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht, Gehorsam aber zu Verbrechen.“ https://www.youtube.com/watch?v=0GBkjBVf1LQ

„Selig sind, die für den Frieden arbeiten, denn sie werden Söhne und Töchter Gottes genannt.“ (Mt 5,9) Predigt von paxchristi-Mitglied Manfred Esmajor am 15.05.22 anlässlich des zweiten Besuchs des Aachener Friedenskreuzes an der Kante. https://www.kirchen-im-dorf-lassen.de/gottesdienste/predigten/15-05-22-aachener-friedenskreuz/

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