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pax_zeit | 3_2020

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Aktive Gewaltfreiheit - wie bringen wir sie voran?

Aktive Gewaltfreiheit

Wie bringen wir sie voran?

Rebecca Burkert

Die internationale Sicherheitsarchitektur ist ins Wanken geraten. Der INF-Vertrag wurde im vergangenen Jahr durch die Aufkündigung seitens der USA außer Kraft gesetzt, in der Ukraine wurden durch Russland erstmalig seit dem Zweiten Weltkrieg wieder gewaltsam die Grenzen auf dem europäischen Kontinent verschoben, China steigt zur Militärgroßmacht auf und der Ausbau moderner Waffentechnologien, hybride Kriegsführung und Massenflucht kennzeichnen unsere Zeit.

Deutschlands Beteiligung am Großmanöver DEFENDER, dem aufwändigsten NATO-Manöver seit dem Ende des Kalten Krieges, steht sinnbildlich für die deutsche Position inmitten eines globalen Konfrontations- und Rüstungswettlaufs. Während immer mehr Menschen wegen Krieg, Armut und Zerstörung ihrer natürlichen Lebensgrundlagen auf der Flucht sind, werden für militärische Aufrüstung Mittel und Ressourcen verschlungen, die für soziale und ökologische Aufgaben schmerzlich fehlen. Während überall auf dem Kontinent Menschen gegen die lebensbedrohende Umweltzerstörung durch den Klimawandel, für die Verteidigung ihrer Freiheitsrechte und eine gerechte Ressourcenverteilung demonstrieren, begegnen ihnen Regierungen mit Einschüchterung, Restriktionen und Gewalt.

Shrinking Space – Was passiert mit der Zivilgesellschaft?

Die Zivilgesellschaft als Kern einer kritischen Öffentlichkeit bildet Meinung, organisiert, gestaltet mit und fordert ein. Obwohl die weltweiten Proteste der Fridays-for-Future-Bewegung des vergangenen Jahres ein vermeintlich anderes Bild zeichnen, wird der zivilgesellschaftliche Einsatz unter vielen Regierungen immer riskanter. „Shrinking Space“, der zunehmend eingeschränkte Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft, wird zur globalen Herausforderung unserer Zeit. Zivilgesellschaftliches Handeln wird durch gezielte Regierungsmaßnahmen, Drohungen und Delegitimisierungskampagnen zu untergraben versucht: sei es in der Türkei, Brasilien, Israel/Palästina, Hongkong oder Kolumbien, um nur einige Beispiele aufzuzählen. Zivilgesellschaftliche Aktivitäten werden kriminalisiert, „unbequeme“ Menschenrechtsaktivist*innen diffamiert, gezielt in ihrer Arbeit behindert und eingeschüchtert. In vielen Ländern erfahren sie Gewalt.

Wir müssen nicht so weit ins Ausland blicken

Auch in Deutschland schrumpft zivilgesellschaftlicher Handlungsspielraum. Man denke an den 2019 vom Deutschen Bundestag angenommenen Antrag „BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“, der die Durchführung von Veranstaltungen, die sich kritisch mit israelischer Regierungspolitik auseinandersetzen, beispielsweise dadurch erschwert, dass Organisator*innen häufig keine Räumlichkeiten mehr zur Verfügung gestellt werden. Man denke auch an die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der globalisierungskritischen Organisation Attac, der „Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger“. Die Aberkennung hatte nicht nur zu großer Unruhe unter Vereinen und Nichtregierungsorganisationen insgesamt geführt, sondern auch zur Gründung der „Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung“. Dieser gehören heute mehr als 175 Gruppen an, die auch hierzulande die schrittweise Verdrängung von zivilgesellschaftlichen Organisationen aus dem gesellschaftspolitischen Raum befürchten.

Welche Handlungsspielräume hat die Friedensbewegung in diesem Status quo?

Nicht nur unterstützt pax christi lokale Partnerorganisationen, die sich trotz des schrumpfenden Raumes für zivilgesellschaftliche Aktivitäten in ihren Ländern, für die Rechte der Frau, die Einhaltung von Menschen- und Völkerrecht oder eine gerechte Verteilung stark machen, sondern auch in Deutschland selbst machen wir auf die prekäre Situation vieler Organisationen, die Auswirkung deutscher Sicherheitspolitik auf den globalen Süden und die Folgen von Aufrüstung und Konfrontationspraktiken aufmerksam. Auch zukünftig, und mit umso mehr Nachdruck, sollten wir uns also auch weiterhin zu umkämpften Themen äußern und versuchen den „Shrinking Space“, den schrumpfenden zivilgesellschaftlichen Handlungsspielraum da zu erweitern, wo es uns möglich ist. Auch zukünftig sollten wir unsere Kritik an der für so essentiell gehaltenen deutschen Rüstungs- und Sicherheitspolitik immer wieder aufs Neue in die Öffentlichkeit und an Entscheidungsträger* innen tragen.

Aktive Gewaltfreiheit stärken – aber wie?

Aktive Gewaltfreiheit, als Kern unseres politischen Handelns, ist vor dem Hintergrund dieser beiden Entwicklungen – der globalen Aufrüstung und Konfrontation auf der einen sowie „Shrinking Spaces“ auf der anderen Seite – der Schlüssel eines nachhaltigen Engagements für Frieden und Gerechtigkeit: Durch das Fördern des Austauschs mit den Partner*innen im internationalen Friedensnetzwerk, Teilen des Wissens über Erfahrungen mit erfolgreicher gewaltfreier Konfliktbearbeitung und Stärken der gesellschaftlichen Debatte um Friedens- und Sicherheitspolitik. Durch eine breite Öffentlichkeitsarbeit, das strategische Nutzen sozialer Medien und innovativer Angebotsformate für Jugendliche und Erwachsene, seien es eine friedensbewegte Internet-Plattform über gewaltfreie Methoden und Instrumente, die am 2. Oktober live geht, Online- Seminare oder Videoangebote, soll die Friedensbewegung auch zukünftig ihre Reichweite verstärken und Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung nehmen. Denn aktive Gewaltfreiheit ist nicht passiv. Sie ist kreativ, überzeugt, engagiert und vor allem eins: innovativ.

Rebecca Burkert arbeitet bei pax christi als Projektreferentin zum Thema „Aktive Gewaltfreiheit“.

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