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Wie funktioniert aktive Gewaltfreiheit?

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Black Lives Matter

Aktive Gewaltfreiheit kombiniert zwei Handlungsstrategien: Dialog und Widerstand. Dialog zwischen Menschen, um Konflikte zu lösen und Gewalt zu reduzieren. Widerstand gegen gewaltvolle und ungerechte Strukturen, um einen Wandel herbeizuführen.

Gewaltfreiheit kann von Menschen praktiziert werden, um Unrecht entgegen zu treten und einen gesellschaftspolitischen Wandel voran zu bringen. In dieser Form ist häufig auch von gewaltfreiem Widerstand, gewaltfreier Aktion oder zivilem Ungehorsam die Rede.

Gewaltfreiheit dient auch dazu, direkte Gewalt wie z.B. in Bürgerkriegen, einem gewaltvollen Putsch oder bewaffneten Konflikten zwischen Staaten zu vermeiden und zu beruhigen. In dieser Form ist aktive Gewaltfreiheit auch als zivile Konfliktbearbeitung, soziale Verteidigung und zivile Sicherheitspolitik bekannt.

Aktive Gewaltfreiheit als Aktionsprinzip

Menschen nutzen weltweit gewaltfreie Aktionsformen, um Wandel herbeizuführen. Demonstrationen, Streiks, Boykotte und Petitionen sind einige bekannte Beispiele. Aktivist*innen aus aller Welt beweisen unvorstellbaren Mut und beeindruckende Kreativität, um ihren Stimmen Gehör zu verschaffen. Eine Auswahl an kreativen gewaltfreien Aktionen aus verschiedenen Ländern stellt die Website "Beautiful Trouble" vor.

Der Politikwissenschaftler Gene Sharp identifizierte 198 gewaltfreie Aktionsformen, die in seinem Buch "Von der Diktatur zur Demokratie" [PDF-Download] nachgelesen werden können. Heutzutage ist die Aktionspalette noch breiter, da das Internet zahlreiche Möglichkeiten zur Mobilisierung und Vernetzung bietet.

Gewaltfreie Aktionen wirken am besten, wenn sie in eine gut durchdachte Strategie eingebunden sind. Diese Strategien bestehen oft aus einer Reihe von aufeinanderfolgenden Aktionen, die den Widerstand immer weiter zuspitzen. Damit wird moralischer, politischer und/oder wirtschaftlicher Druck auf die Gegenseite ausgeübt, bis sie bereit ist, den Forderungen der Bewegung entgegen zu kommen.

Doch selbst, wenn eure Strategie auf Gewaltfreiheit setzt, ist es in der Umsetzung oft gar nicht so einfach, gewaltfrei zu bleiben. Wenn z.B. die Gegenseite provoziert oder selbst Gewalt anwendet oder einzelne Gruppen oder Teilnehmende innerhalb eurer Bewegung zu Gewalt greifen, erfordert die Aufrechterhaltung eurer Entscheidung zur Gewaltfreiheit viel Mut und Disziplin. Doch bereits im Vorfeld könnt ihr einiges tun, um eure Aktionen gewaltfrei umzusetzen.

  • Vertrauensaufbau: Lernt euch persönlich kennen und nehmt euch Zeit, eure Ansichten zu aktiver Gewaltfreiheit miteinander zu diskutieren. Bei Bündnissen empfiehlt es sich, zunächst kleinere Aktionen zusammen zu planen, um eure verschiedenen Einstellungen, Vorgehensweisen und Entscheidungsstrukturen gegenseitig kennen zu lernen.
  • Aktionsvereinbarung: Eine Aktionsvereinbarung zwischen allen teilnehmenden Gruppen kann euch helfen, viele Fragen im Vorfeld zu klären und Menschen, die während eurer Aktion gewalttätig werden, mit Bezug auf die Vereinbarung zu verweisen. Da das Konzept „gewaltfrei“ unterschiedlich interpretiert wird, ist es oft effektiver, legitime und illegitime Verhaltensweisen klar zu benennen.
  • Aktionstraining: Bei einem Aktionstraining werden neben der Einübung von konkreten gewaltfreien Aktionsformen häufig auch Methoden wie z.B. der gewaltfreie Dialog mit Außenstehenden und Deeskalationsmechanismen gegenüber der Polizei geschult. Wenn ihr niemanden in eurem Umfeld findet, der solch ein Training geben kann, könnt ihr Angebote von verschiedenen Organisationen nutzen.

Aktive Gewaltfreiheit als sicherheitspolitisches Konzept

Eine aktiv gewaltfreie Sicherheitspolitik erfordert Umdenken: Anstatt Sicherheit voreinander, suchen wir Sicherheit miteinander. Deshalb müssen wir die Sicherheit unseres Gegenübers stets mitdenken. Dies erfordert, unsere eigene Rolle in Konflikten zu erkennen: Wie tragen wir z.B. durch unsere Handelsbeziehungen, Rüstungsexporte, Migrationspolitik, Entwicklungszusammenarbeit etc. zur (Un-)Sicherheit anderer Länder bei?

Anstatt die globalen ökonomischen und politischen Verstrickungen im 21. Jahrhundert als Einschränkung unserer Souveränität zu bewerten, geben diese Verstrickungen der aktiv gewaltfreien Sicherheitspolitik viel Handlungsspielraum.  Es besteht eine Vielzahl von Strategien und Instrumenten, die erwiesenermaßen zur Vermeidung und Lösung von Konflikten beitragen können. Dazu gehören z.B. Diplomatie, Mediation, Krisenfrüherkennung und Konfliktprävention, Entwicklungszusammenarbeit, faire Handelsbeziehungen, zivile internationale Missionen und ziviler Widerstand.

Diese Strategien sind nicht neu und Deutschland wendet bereits viele Methoden der zivilen Sicherheitspolitik an. Das ist in dem Bericht "Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern" [PDF-Download] der Bundesregierung nachzulesen. Verglichen zu den militärischen Verteidigungsausgaben ist das zivile Engagement aber stark unterfinanziert. So standen im Jahr 2020 dem zivilen Friedensdienst 55 Millionen Euro für das Engagement von zivilen Friedensfachkräften in 45 Ländern zur Verfügung. Dagegen kostete der Einsatz der Bundeswehr allein in Afghanistan 394 Millionen Euro im Jahr 2020. Das Auswärtigen Amt verfügt 2021 über ein Budget von 3,49 Milliarden Euro für die Sicherung von Frieden und Stabilität (inklusive Leistungen an die Vereinten Nationen und humanitäre Hilfe). Der Bundeswehr werden im gleichen Jahr 46,93 Milliarden Euro zugesprochen.

Doch noch wichtiger als die Finanzierung ist die Kohärenz einer zivilen Sicherheitspolitik:  Deutschland stellt sich selbst als aktiver Partner für weltweite Abrüstung und Rüstungskontrolle dar. Gleichzeitig ist Deutschland der fünftgrößte Rüstungsexporteur der Welt. Die Europäische Union gründet sich auf "Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte" [PDF-Download]. An den EU-Außengrenzen werden dagegen Schutzsuchende entrechtet, in menschenunwürdigen Lagern festgehalten und oft mit Gewalt daran gehindert, diese Grenzen überhaupt zu erreichen. Damit missachtet die EU das Völkerrecht und die Genfer Flüchtlingskonvention.

Eine aktiv gewaltfreie Sicherheitspolitik muss sich entschieden gegen Gewalt in allen Politikfeldern einsetzen. Wie so eine Politik konkret aussehen könnte, zeigt die Initiative "Sicherheit neu denken". Sie stellt ausführlich dar, wie sich Deutschland bis 2040 von der militärischen auf eine rein zivile Sicherheitspolitik umstellen könnte.

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